„Köln tanzt“: Szene zeigt sich in den Spichern Höfen
„Warum tanzt Du?“ „Weil ich mich dabei frei fühle, weil ich Sehnsucht habe, Freude am
Tanz, nicht anhalten kann, Tanz ist mein Leben.“ Immer wieder, charmant insistierend,
stellt die Schauspielerin Anja Herden dem Tänzer Douglas Bateman, mit dem sie diesen
Abend moderiert, die Frage. Seine Antworten stehen stellvertretend für alle Beteiligten der
wohl ungewöhnlichsten Tanznacht, die Köln je erlebt hat.
Zwölf Stunden fast nonstop bis zum Frühstück um 6 Uhr zeigten professionelle Tänzer
gemeinsam mit ambitionierten Laien, welches Bewegungspotential in ihnen und – oftmals
unerkannt – in der Stadt Köln steckt. Unglaublich, dass in nur zwei Monaten
Vorbereitungszeit das engagierte Team um die Choreografin Anja Kolacek und Marc Leßle
nicht nur eine informative website zum Tanz und über Tanzende in Köln auf die Beine
gestellt hat (www.alleswastanzt.de), sondern die Tänzer, Choreografen, Ensembles,
Gruppen, Schulen aus der virtuellen Welt auch noch zu dieser fantastischen Tanznacht in
die Spichernhöfe holte.
Selten war ein improvisierter Event so perfekt durchorganisiert. Enorm, welche tänzerische
Vielfalt diese Stadt zu bieten hat! Ob Samba, Flamenco oder Bauchtanz, Hip-Hop oder
Breakdance. Wie ernst diese meist als unterhaltend belächelten Tanzformen zu nehmen
sind, zeigt das Tanzhaus Düsseldorf seit Jahren mit der „Orientale“ und Festivals für genau
diese Sparten.
Erstmals bekam man auch einen Einblick in die Arbeit von professionellen Tänzern, die
nach ihrer Ausbildung nicht in einer städtischen Company oder freiem Ensemble
untergekommen sind, sondern sich als Showtänzer und in Einzelengagements verdingen.
Karlita Funk mit ihrem großartigen Solo „Quader“ gehört dazu. Auch Julia Poulet und
Robb Morris, die auf klassischer Basis einen Liebes-Pas de deux als Showtanz zeigten, um
nur zwei zu nennen. Dass in Köln gut die Hälfte aller Tanzschaffenden der freien Szene
Nordrhein-Westfalens angesiedelt ist, hat kürzlich eine Studie des Landesbüro Tanz
bestätigt. Sie alle waren auch dabei. Auffällig aber war, dass die Kölner Ballettschulen
fehlten. Immerhin ist es ihr Bundesverband, der jährlich den deutschen Tanzpreis auslobt
(Preisträger 2009: Heinz Spoerli). Nur die Tanzschule StallnigNierhaus zeigte mit ihrem
Angebot an alte Menschen, dass Tanz mehr als Bewegung ist.
Unglaublich war auch das Kölner Publikum. Während die offiziellen
Festivalveranstaltungen von „tanz-nrw-09“ in Essen und Düsseldorf unter mangelndem
Publikumsinteresse leiden, war die Rahmenveranstaltung „Köln tanzt“ ein regelrechter
Publikumsmagnet. Gut tausend Besucher drängten sich nach Angaben der Veranstalter in
den Spichernhöfen. Damit hat Köln alles, was ein Tanzhaus braucht: engagierte Profis, eine
Vielfalt an Stilrichtungen, ein neugieriges Publikum. Fehlt nur noch eins: das Tanzhaus
selbst.
Infos: www.alleswastanzt.de




Download: Klaus Keil Rundschau.pdf


Download: Thomas Linden Choices.pdf


Noch nie hat sich die Kölner Tanzszene so vielfältig dargestellt wie jetzt in den „Spichern Höfen“. 290 Laien und professionelle Tänzer zeigten die ganze Bandbreite der Szene.

KÖLN - Kompetenz und Chaos ist eine Verbindung, die nicht zwangsläufig Gutes erahnen lässt. Am Donnerstag in den „Spichern Höfen“ hatte die Kombination jedoch so viel Charme, dass man gerne über organisatorische Schwächen hinwegsah und nur zu dem Schluss kommen konnte, den Professor Elmar Buck, Direktor des Instituts für Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft, und andere Gäste bei „Köln tanzt“ zogen: „Großartig!“

„Großartig“ lautete auch das Urteil von Bürgermeisterin Elfi Scho-Antwerpes sowie von Marc Günther, dem ehemaligen Kölner Schauspielintendanten. Letzterer war eigens aus Frankfurt angereist, um ein Bild von der Kölner Tanzszene zu bekommen, wie es in der Vielschichtigkeit wohl noch nie zu erleben war.

Etwa 290 Personen im Alter zwischen vier und 80 Jahren - Laien ebenso wie Profis demonstrierten während einer halben Nacht so ziemlich alle Bewegungsvarianten und nonverbalen Ausdrucksformen, zu der ein Körper fähig sein kann:
Quickstep, Streetdance, Flamenco, Bauchtanz, Modern Dance, Bewegungstheater, Hip Hop
und Volkstanz. Selbst diejenigen, die Gardetanz außerhalb der fünften Jahreszeit
gewöhnungsbedürftig finden, verfolgten begeistert, wie Nadine Schramm, ihres Zeichens „Kajütenmäuschen“ beim Tanzcorps „Die Original Matrosen vom Müllemer Böötche“ von ihren Kollegen um geschätzte viereinhalb Meter in Richtung Saaldecke geworfen wurde. Während Kommandant Max Wiest eingestand, „es ist für uns ungewohnt außerhalb der Session“, genossen die sechs im Wesentlichen Federschmuck tragenden Mitglieder der „Maria Christina Ferreira Company“ den begeisterten Applaus, den sie für ihre „Samba Brazil“- Darbietung erhielten.

„Wir wollen das ganze Potenzial des Tanzes in unserer Stadt sichtbar und erlebbar machen“, so die Idee von Choreografin Anja Kolacek für das Projekt, das in Köln den Auftakt des „NRW-Tanzfestivals 09“ markierte.
Kulturdezernent Georg Quander lobte das „experimentierfreudige Konzept“ und den
„wunderbaren Ort“ für dieses Stadtkunstprojekt, das von „Raum13 Theater Fraktion Köln“ zusammen mit den „Spichern Höfen“ organisiert worden war.

Zugleich äußerte Quander sich „zuversichtlich, dass wir noch in diesem Jahr mit
dem Ausbau des geplanten Kölner Tanzhauses beginnen können.“ Nach seiner
Vorstellung soll es in Mülheim in Palladium-Nähe angesiedelt werden.